Nüssesammeln

Man hätte mich leicht als verrückt (oder eben Englisch «nuts») bezeichnen können, als ich kürzlich so auf allen Vieren im Hang um unseren Walnussbaum herumkroch, das Laub sorgfältig mit den Händen zur Seite schob und zwischen dem raschelnden Laub einzelne Nüsse hervorklaubte.

Streng wirtschaftlich betrachtet ist diese Sammelmethode auch als andere als effizient, zumal es inzwischen solch geniale Geräte wie die Nuss- und Obstsammler gibt, mit denen man ruckzuck ein paar Kilo Nüsse oder Äpfel vom Boden aufrollt. Bei meiner Methode stehen viel Handarbeit, hoher Zeitaufwand im keinem Verhältnis zum Ertrag, denn in mehr als einer Stunde sammelte ich vielleicht ein Kilo Nüsse.

Betrachtet man diese scheinbar sinnlose Betätigung aber aus einer ganz anderen Warte, macht sie durchaus Sinn. Denn diese Tätigkeit erfüllt mich mit einem Gefühl der inneren Ruhe und Zufriedenheit. Die effektiv gesammelten Nüsse stellen für mich marketingtechnisch ausgedrückt  also nur einen «Zusatznutzen» dar.

Weshalb diese Tätigkeit für mich so befriedigend ist, dafür gibt es auch eine nüchterne, neurologische Erklärung: Beim Nüssesammeln wird offensichtlich in meinem Hirn eine Region stimuliert, in der eines der vier Urgefühlen von Menschen (und anderen Säugetieren) beheimatet ist. Die Wissenschaft umschreibt dieses Gefühlt relativ vage mit «Neugierde, Interesse» und «Vorfreude/Antizipation» und dieses befindet sich im sogenannten SEEKING-Zentrum. (Die anderen drei Urgefühle sind Wut, Jagdtrieb und Angst.) Wird also diese Region im Hirn stimuliert, schüttet mein Körper Dopamin aus, eines der Glücklichmachern unter den Hormonen.

Früher ging man übrigens davon aus, dass Dopamin vom sogenannten Belohnungszentrum ausgeht. In meinem Beispiel würde das bedeuten, dass jedesmal, wenn ich eine Nuss finde, Dopamin freigesetzt wird. Inzwischen hat man aber wissenschaftlich nachgewiesen, dass das Dopamin während des Suchens ausgeschüttet wird und es somit keine Rolle spielt, ob ich eine Nuss finde oder nicht. Was ökonomisch betrachtet wiederum wertlos, psychologisch hingegen sehr wertvoll ist.

Literatur

Temple Grandin and Catherine Johnson. Animals in  Translation: using the mysteries of autism to decode animal behavior. New York: Scribner, 2005.

Jaak Panksepp. Affective Neuroscience. The Foundations of Human and Animal Emotions. Oxford University Press, 1998.


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